Euphrosyne Wildmans

Ein kleines Buch mit dunkelgrünem, abgegriffenen Einband. In einer geschwungenen und dicht an einander gerdängten Schrift kann man auf der ersten Seite in der unteren, linken Ecke den Namen Euphrosyne Wildman erkennen. Das Tagebuch obwohl das Tagebuch recht gut gefüllt scheint wird es nicht oft benutzt, die zwischen den einzelnen Eintragen liegen mal Tage, mal Monate, mal ganze Jahre. Wer sich erdreistet dieses Büchlein ansich zunehmen, oder gar darin zu blättern und zu lesen... oh, dem Gnade der Dunkle Lord!

Thema: Re: Euphrosyne Wildmans Do 11 Apr 2013 - 18:50

Undatiert.

Ich fühle mich regelrecht überwältigt. Besonders, da ich der Auffassung war, nichts aus dieser Zeit behalten zu haben. Welch nahezu bittersüße Ironie, was mir also gestern, in einem alten Schuhkarton entgegen kommt. Ich dachte wirklich, alles sei fort… und aus unerklärlichen Gründen bin ich seltsam froh, dass es nicht so ist. Diese Bilder zu sehen fühlt sich an, als trüge man ein Stück der Vergangenheit in den eigenen Händen; einen Teil einer schönen Vergangenheit.

Es war Thibaut und mein erster gemeinsamer Urlaub in Chicago. Wie glücklich wir auf den Bildern aussehen – wie glücklich ich aussehe. Im Grunde kann ich kaum glauben, dass ich nicht hinter die Maske dieser verlogenen Person blicken konnte; seine Schwäche nicht sah, als ich es hätte sehen müssen… Wenn ich sein Gesicht auf den Fotos erblicke, lächelnd, Geborgenheit heuchelnd, bei seiner Lordschaft, mir wird schlecht. Wie konnte ich nur auf dieses falsche Spiel hereinfallen? Oder besser gefragt, wieso habe ich es bei Zeiten nie beendet?

Ich glaube, damals konnte ich den Gedanken ein Kind ohne seinen Vater aufzuziehen nicht ertragen. Und nun… wir kennen es ja, dieses leidige Spiel. Keine Mutter. Keinen Vater. Kein Kind.

Wenn ich die Bilder nun betrachte wird mir schlecht. Ich hätte es damals einfach besser wissen müssen… Gott, ich war so naiv. So dumm. Es könnte heute alles anders sein, wenn ich nur damals anders gehandelt hätte. Aber hätte und wenn gibt es bekanntlich nicht.

Thibaut sieht nicht aus, wie ein Alkoholiker. Aber wie sehen Alkoholiker schon aus? Er ähnelt eher einem seriösen Bänker. Das ich nicht lache. Habe ich damals daran geglaubt? An den Bänker? An einen Mann von Welt, gebildet, klug, charmant. Und einlullen lassen habe ich mich von blasphemisch, lächerlich und dem Gerede von der großen weiten Welt.

Ob es wohl alles anders hätte kommen können? Ob wir jemals hätten glücklich werden können? Wenn ich uns sehe, wüsste ich wirklich gern, was damals schief gelaufen ist.

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